Depeschen
Die Tageszeitung als Druckwerk auf Papier ist ein vom Sterben bedrohtes Medium. Vor diesem Hintergrund entsteht 2018 der 50 Blatt umfassende Zyklus ‘Depeschen’. Das Rohmaterial für diese Arbeit bildet ein über Jahre gewachsenes Archiv von Pressefotos. Bei der Schneide- und Klebearbeit kommt die legendäre Emser Depesche in den Sinn. Nur durch Streichungen im Originaltext verschärfte Bismarck 1870 den Wortlaut einer Eilnachricht, was eine kalkulierte Empörung verursachte und zur Kriegserklärung Frankreichs führte. Von der Emser Depesche bis zur gezielten Verbreitung von Fake News führt eine direkte Entwicklungslinie.
Aus dem dokumentarischen Objekt eines Zeitungsausschnitts, der zum Beispiel über Unfälle und Selbstmorde berichtet, entsteht durch einfaches Weglassen, Herauslösen, Aufkleben etwas Anderes. Aus zusammengefügten Bildfragmenten, entleerten Rahmen und extrahierten Linien entwickeln sich bühnenartige Erinnerungsräume, die eher selten konkrete Rückschlüsse auf die originalen Motive und Anlässe erlauben. Wie unscharfe Nachbilder, die zurückbleiben, wenn die Gegenstände, die gesehen wurden, schon nicht mehr da sind.